Meine Mosel, Moseltypisches
Weinlese am Steilhang
2017 hatte ich seit langem wieder einmal bei der Weinlese geholfen. In Winningen an der Mosel. Die Weinlese liegt mir sozusagen im Blut. Die Familie meiner Mutter kommt vom Kaiserstuhl, eine “Flachlage”. Als Studentin habe ich dort wochenlang im Weinberg gestanden. Ich erinnere mich noch an kalte Finger, Gummistiefel und zünftige Vesper – und an sehr viel Wein. Keine Ahnung, wie ich danach mit meinem VW-Käfer imm wieder heil nach Hause nach Freiburg zurück kam. In Winningen war das anders. Erstens war ich 40 Jahre älter und vernüftiger als damals und zweitens kann hier am Steilhang ein Fehltritt fatal sein. Deshalb galt für mich – kein Wein während der Weinlese. Der Winninger Hamm ist steil und überall liegen Schieferplättchen, auf denen man immer wieder ins Rutschen kommt. Aber ich habe schnell festgestellt: Weinlese an der Mosel für Ungeübte macht Spaß.
Schneiden, plaudern, schleppen
Das Ernten an sich ist kein Hexenwerk. Allerdings merkte ich schnell, dass die anderen sehr viel schneller waren als ich. Zum Teil auch Lese-Laien wie ich, die das machen, weil sie mit der Winzerfamilie befreundet sind. Was besonders ärgerlich ist, wenn man zu den Langsamen gehört, dass man ziemlich alleine da steht und mit niemandem quatschen kann, weil die anderen längst in ihrer Reihe weiter gezogen sind. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen: neben den Berufswinzern halfen eine Restauratorin mit, ein Architekt, eine Studentin, eine Schriftstellerin, eine Journalistin – da gibt es immer etwas zu erzählen. Und man erfährt eine ganze Menge über die Wein- und Sektherstellung. Denn ich habe bei der Weinlese der Sektkellerei von Canal in Winningen geholfen.
Rosinen statt Trauben erschweren die Arbeit
Dass es bei mir nicht so schnell ging, lag natürlich nicht an mir, sondern daran, dass ich immer die Reihen hatte, in der besonders undankbare Trauben hingen. Klar, was sonst. Bei vielen der Trauben musste man die vertrockneten Beeren herausschneiden. Auch wenn es im Frühjahr 2016 ohne Ende geregnet hatte, so war es doch im Sommer sehr trocken, so dass einzelne Beeren ledrig und verdorrt waren. Im Erntejahr 2020 sieht es auch nicht anders aus. Die trockenen Beeren bringen keinen Saft, sie sind höchstens sauer. Daraus kann man keinen Wein machen. Aber zwischendurch musste ich natürlich auch die Qualität der anderen Trauben testen, d.h. die der guten und saftigen Trauben.
Bei der Lese in der Steillage schaffte ich es tatsächlich, dort zu bleiben, wo ich hin gehöre. Ein Mal ist mir allerdings eine leere Kiste den ganzen Abhang runter gekullert und ich musste ihr mehr oder weniger selbst hinterher rutschen, um sie wieder hoch zu holen.
Weinlese – Meditation pur
Was bei meinem Winzer an der Mosel auch nicht anders war als am Kaiserstuhl: die Helfer wurden nicht gehetzt. Es gibt keine Weinlese im Akkord. Selbst der Chef, der Winzer Wolfgang von Canal und seine Mitarbeiter schienen die Weinlese zu genießen. Und das macht die besondere Atmosphäre dieser Arbeit im Weinberg aus. Sie macht einfach Spaß und hat etwas Meditatives an sich. Genau richtig für gestresste und gehetzte Stadtmenschen, auch wenn am Abend der Rücken wehtut. Aber die Bewegung an der frischen Luft fühlte sich gut an. Am Ende des Lesetages gab es in den Räumen der Sektkellerei von Canal genau den Wein aus dem Weinberg, in dem wir gearbeitet haben. Aus dem Winninger Hamm. Und spätestens dann weiß man, dass man den Tag über etwas Gutes getan hat.
Mein Fazit
Ich kann nur jeden ermuntern, einmal beim Winzer seines Vertrauens nachzufragen, ob er noch Hilfe braucht. Oft ist es möglich auch nur einzelne Tage oder Nachmittage mitzu helfen. Hinterher wird jeder den Preis des Weines noch mal mehr zu schätzen wissen. Und wer sonst im Büro sitzt und auf einen Bildschirm schaut, wird ganz besonders viel Spaß an der tollen Aussicht haben. All inclusive an der Mosel.
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